Smoky Addamz
Ich liebe Drag. Es gibt mir endlich die kreative Freiheit, nach der ich lange gesucht und nirgendwo sonst so richtig gefunden habe. Wenn ich auf der Bühne stehe, werde ich zu einer Version von mir selbst, die im Alltag nicht genug Raum bekommt. (Smoky hat definitiv mehr Farben, Muster und Glitzer im Kleiderschrank.) Ich kann mit Männlichkeit bzw. mit Geschlechterrollen spielen und sie neu definieren. Ich erschaffe meinen eigenen Charakter, meine eigene Kunst, meine eigene Geschichte.
Als ich im Dezember 2021 zufällig RuPaul's DragRace bei RTL+ entdeckte, war mir noch nicht klar, was das auslösen würde. Wie sehr diese Entdeckung mein Leben buchstäblich verändern würde. Nach vielen Überlegungen (Kann ich das? Bin ich gut genug dafür?) ging im Juli 2023 meine persönliche Drag-Reise los. Beim “Icon of CSD Leipzig” Drag Contest landete ich nach dem Vorentscheid nicht nur im Finale, sondern am Ende auch noch auf dem zweiten Platz! Das war so viel mehr, als ich erwartet hatte und auf einmal war nichts mehr so, wie noch eine Woche zuvor. Plötzlich kannte man mich in der Leipziger Drag Community. Die ersten Anfragen für Shows trudelten ein, es entstanden neue Freundschaften, ich gab mein altes Leben auf und zog mit Teilzeitprinzessin Linette in eine Drag-WG. Ein ganz neues Leben also, mit großartigen Menschen, fantastischen Erfahrungen und ganz viel Glitzer. Läuft bei mir, wie die jungen Leute heute sagen.
Doch Drag ist nicht nur Glitzer, Strass und Entertainment – es ist auch viel Arbeit. Jede Show erfordert Einiges an Vorbereitungen: Ein oder mehrere Looks müssen zusammengestellt und die Performances geprobt werden. Wenn man selbst in den Organisationsprozess eingebunden ist, ist es noch weit mehr als das. Und dazwischen ist auch noch der ganz normale Alltag. Job, Haushalt, Einkaufen, Familie, Freunde, andere Interessen, … alles muss unter einen Hut gebracht werden. Es gibt Tage, an denen ich von der Arbeit nach Hause komme, müde bin und weiß, dass ich eigentlich noch was für die nächste Show machen müsste. Aber die Energie fehlt. Oder die Zeit. Oder beides.
Und dann, wenn der große Abend kommt, ist da diese Angst. Mal mehr, mal weniger intensiv, aber sie ist immer irgendwo da, in den Schatten, außerhalb des Scheinwerferlichts. Habe ich genug geprobt? Sitzt jede Bewegung? Was, wenn ich stolpere, mich verspreche, den Text vergesse? Was, wenn mein Auftritt nicht so gut ankommt, wie ich es mir wünsche? Sieht man mir diese Unsicherheit an? Ich war schon öfters kurz davor, mich von der Angst überwältigen zu lassen und Auftritte einfach abzusagen. Weil die Angst zu groß wurde. Aber ich bin immer irgendwie dadurch gekommen, habe mich geschminkt, die Heels angezogen und bin auf die Bühne gegangen. Hat immer alles funktioniert? War immer alles perfekt? Nein, natürlich nicht. Irgendwas war bisher immer. Meistens Kleinigkeiten, manchmal aber auch Dinge, an die ich immer noch denke und über die ich mich ärgere.
Und trotzdem: Ich liebe Drag und ich weiß, dass ich mit jeder Show wachse – als Künstler und als Mensch. Es ist nicht immer leicht, aber es ist genau das, was ich machen möchte. Und solange diese Leidenschaft da ist, werde ich immer wieder auf die Bühne gehen und mein Bestes geben.