Non-Binary
Non-Binary

Jules Romeo

Als ich das erste Mal sagte, dass ich nicht-binär bin, fiel mir ein Stein vom Herzen – direkt auf meinen Fuß. Irgendwie hatte ich erst Angst, auf Unverständnis zu stoßen und mich selbst auch nicht mehr zu verstehen. Denn ich fühle mich weder als Frau, deren biologische Geschlechtsmerkmale ich habe, noch als Mann. Gesellschaften definieren ihre Geschlechterrollen, aber ich kann mein physisches und psychisches Empfinden nicht auf eine dieser aktuell noch dominanten Rollenzuweisungen festlegen. Ich betrachte die Geschlechtsidentität als Spektrum, auf dem wir uns einordnen können. Ich springe oder fließe zwischen den Kategorien, die wir uns als Orientierung gesetzt haben. Und ich erlebe es immer noch häufig, dass die Strukturen der Geschlechter starr sind. An den generellen Vorstellungen von Männlichkeit und Weiblichkeit scheine ich anzuecken. Das erlebe ich konkret im Alltag, vor allem, wenn es um Kleidung geht, die mich repräsentieren soll. Ich habe kurze Haare, trage gerne Unisexkleidung oder einen Lippenstift zum Anzug. Kleidung ist für mich ein Hauptaspekt der Präsentation und Kommunikation. Nur, wenn ich alleine bin, dann spüre ich am ehesten, dass ich mich nicht zu einem Geschlecht dazugehörig fühlen möchte. Dann bin ich einfach nur ich, weder Mann noch Frau und manchmal beides gleichzeitig. Probleme entstehen häufig während der Konfrontation mit meinem Umfeld oder Fremden. Als ich jünger war, wurde ich oft von völlig Fremden sehr übergriffig gefragt, ob ich eine Frau oder ein Mann bin. Auf öffentlichen Toiletten habe ich das besonders intensiv gespürt, wenn weiblich gelesene Personen die Damentoilette verlassen haben oder mir den Weg blockierten. Bis jetzt habe ich ein ungutes Gefühl im Bauch, wenn ich eine öffentliche Toilette besuche. Ich fühle mich wie eine Provokation. Das macht mich sehr traurig, aber diese Situationen erlebe ich zurzeit selten. Zum einen, weil mein Umfeld viel offener ist und vielleicht auch, weil sich Fremde nicht immer trauen, Erwachsene einfach so anzusprechen. Das erste Mal wirklich frei gefühlt, habe ich mich auf einer sexpositiven Party. Ich habe mich nicht mal als eine sexuelle Fantasie von anderen gefühlt, sondern einfach als ein Mensch, der einfach existiert und dazu noch ein bestimmtes Set an Genitalien besitzt. Das klingt zwar sehr klinisch, aber so ist es für mich irgendwie. Da muss ich selber ein bisschen lachen. Was mich persönlich glücklich machen würde, wären neue Pronomen, die nicht nur gut klingen, sondern auch das Gefühl vermitteln, Teil dieser Gesellschaft zu sein. Es wäre eine Öffnung, die mir nicht einen Status als „anders geraten“ oder „seltsam“ zuschreibt, oder mir nur die Option offen lässt, mich als „divers“ auf amtlichen Dokumenten eintragen zu lassen. Persönlich stößt mir dieser Begriff sauer auf, weil er aus einer binären, heteronormativen Gesellschaft kommt, die mich noch nicht abgeholt hat. Und ich fühle mich in dieser als zu viel, was es mir zusätzlich schwer gemacht hat, mich als nicht-binär wahrzunehmen. Es dennoch zu tun und mich auch vor anderen ganz selbstverständlich dieser Bezeichnung zu bedienen, löst bei mir mittlerweile viel mehr positive Gefühle aus.

w/ Jules Romeo